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„Jeder hat verschiedene Ideen, die er im Beirat einbringen kann“

12.07.2021
Nicole Lemkens (links) und Andrea Hanisch (rechts); Foto: Stadtjournal Brüggen / B. Sroka

Andrea Hanisch und Nicole Lemkens sind mitten in den Vorbereitungen zur Gründung eines Behindertenbeirates in der Burggemeinde Brüggen im Kreis Viersen. Das KSL Düsseldorf hat mit den beiden über die Idee eines Beirates, den Gründungsprozess und Teamarbeit gesprochen. 

Frau Hanisch und Frau Lemkens, stellen Sie sich bitte vor.

Andrea Hanisch: Ich bin Andrea Hanisch und derzeit kommissarische Behindertenbeauftragte der Gemeinde Brüggen. Ich lebe hier seit 1992 und bin auf einen Rollstuhl angewiesen. Seit knapp zwölf Jahren bin ich ehrenamtliche Behindertenbeauftragte in Brüggen. Die meiste Zeit gemeinsam mit Herrn Kellerhoff, der letztes Jahr im Dezember leider verstorben ist. Wir haben die Beiratsgründung gemeinsam initiiert. Ich bin noch so lange Behindertenbeauftragte, bis der Behindertenbeirat definitiv gegründet ist. Anfang des Jahres habe ich mit Frau Lemkens gesprochen, ob sie mich bei der Beiratsgründung unterstützen möchte. Alleine war mir das zu viel. Seitdem arbeiten wir zusammen und sind gerade dabei, den Behindertenbeirat zu gründen. 

Nicole Lemkens: Ich heiße Nicole Lemkens und bin 43 Jahre. Ich habe eine behinderte, fast 17-jährige Tochter. Und einen 3-jährigen gesunden Sohn. Ich bin selber seit Geburt krank und nutze zeitweise auch einen Rolli. Da ich mich mehr für Menschen mit Beeinträchtigungen in Brüggen einsetzen wollte, kam die Anfrage von Frau Hanisch genau richtig. Ich unterstütze sie sehr gerne. Unsere Zusammenarbeit funktioniert super und macht viel Spaß. 

Was haben Sie in der Vergangenheit für Menschen mit Beeinträchtigungen in Brüggen umgesetzt?

Andrea Hanisch: Hier in Brüggen gibt es in der Fußgängerzone kleine Boutiquen und Geschäfte. Sie sind nicht alle barrierefrei zu erreichen. Dafür haben wir Rampen angeschafft. Nicht für alle Geschäfte, weil wir so viele Rampen nicht finanzieren konnten. Und wir haben Klingeln angeschafft. Sie wurden an einzelnen Geschäften in der Höhe angebracht, dass Rollstuhlfahrer*innen sie erreichen können. 

Wir haben auch Ortsbegehungen gemacht, um zu sehen, welche Gehwege noch abgesenkt werden müssen. 
Und wir möchten einen integrativen Spielplatz errichten. Geräte sind schon angeschafft worden. Sie müssen noch aufgestellt werden.

Dann hatten wir noch eine Idee mit dem KSL Düsseldorf mit einer Rikscha. Brüggen soll mindestens eine Rikscha erhalten, mit der Menschen mit Beeinträchtigungen Orte erreichen können, zu denen sie sonst aufgrund eingeschränkter Mobilität oder Kraft nicht gelangen könnten. Inwieweit wir das verwirklichen, müssen wir noch schauen.  

Darüber hinaus haben wir die Idee entwickelt, touristische Führungen mit Gebärdensprachdolmetscher*innen anzubieten, damit auch Gehörlose teilnehmen können. 

Die Idee, einen Beirat zu gründen, gibt es ja schon länger. Können Sie den Entwicklungsprozess beschreiben?

Andrea Hanisch: Herr Kellerhoff und ich haben der Gemeinde viele Vorschläge gemacht, was für Menschen mit Beeinträchtigungen verbessert werden könnte. Aber es wurde nur ein Bruchteil davon umgesetzt. Vieles wurde auch ganz abgelehnt. Das war uns ein Dorn im Auge. Und die Anerkennung fehlte uns. Die Verwaltung und die Politik haben wenig Interesse an unserer Arbeit als Behindertenbeauftragte gezeigt. Herr Kellerhoff hatte dann die Idee, einen Beirat zu gründen. Somit wäre auch die Politik eingebunden. Im Beirat sollen auch Vertreter*innen einzelner Fraktionen dabei sein. Die Politik soll mitbekommen, welche Barrieren es in Brüggen gibt und wieviel Aufwand es ist, sich für Menschen mit Beeinträchtigungen einzusetzen. Wenn man nicht gehandicapt ist oder keinen Bezug zu dem Thema hat, dann hat man auch kein Gespür für die Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen. Das war ein ausschlaggebender Grund für die Gründung des Beirates. Die Gemeinde hat sich erst ein bisschen gesträubt hat, einen Beirat einzurichten, doch wir konnten sie überzeugen. Das ist jetzt unser Projekt und darauf arbeiten wir hin. Das machen wir sehr gerne.

Wie sieht der Gründungsprozess aus? Was sind die einzelnen Schritte?

Nicole Lemkens: Wir hatten am 22. Mai 2021 eine Infoveranstaltung mit Herrn Rodeike vom KSL Düsseldorf zusammen, der uns sehr unterstützt. Wir haben viele Menschen aus Brüggen eingeladen, vor allem auch Menschen mit Handicap. Wir haben darüber informiert, was ein Behindertenbeirat auf sich hat, was die Mitglieder für Aufgaben haben, wie rechtliche Aspekte aussehen und vieles mehr. Herr Rodeike hat einen Vortrag darüber gehalten. Es war eine wirklich gute Infoveranstaltung. Die Teilnehmer*innen waren sehr interessiert und haben auch viele Fragen gestellt. 

Am 11. Juni 2021 haben sich einige Menschen mit Handicap in der Burggemeindehalle in Brüggen zusammengefunden. Es wurden an diesem Tag neun Menschen mit Handicap gewählt, die stimmberechtigt sind, und ein Vertreter. Aus der örtlichen Behindertenhilfe hat der Selbsthilfezusammenschluss vier Organisationen gewählt, die beratend tätig sind. 

Die konstituierende Sitzung ist nun für den 8. September 2021 geplant, wo dann wirklich der Beirat gegründet werden soll. 

Was für Themen und Projekte haben Sie geplant, wenn der Beirat besteht? Was möchten Sie konkret umsetzen in Brüggen?

Nicole Lemkens: Bei dem Rikscha-Thema sollten wir konkret gucken, was möglich ist. Und dann schauen wir, was wir in Brüggen noch für Menschen mit Handicap tun können und welche Möglichkeiten wir gezielt haben. Es sind ja mehrere Menschen mit Handicap dann dabei, die sich einbringen. Die dann sagen können, das ist uns noch wichtig in Brüggen, das möchten wir noch erreichen. Das ist unser Ziel, Menschen, die im Beirat sind und die ein Handicap haben, einfach mitzunehmen. Und jede*r hat verschiedene Ideen, die Frau Hanisch oder ich vielleicht gar nicht sehen. Unser derzeitiges Ziel ist die Gründung des Behindertenbeirates.

Andrea Hanisch: Wichtig ist noch, dass bei einzelnen Gehwegen Bordsteine abgesenkt werden. Darum müssen wir uns auf jeden Fall auch noch kümmern. Zudem warten wir derzeit darauf, dass der Platz hinter der Kirche, der Kreuzherrenplatz, barrierefrei umgestaltet wird. Dies hat Herr Kellerhoff in die Wege geleitet. Das ist ein größeres Projekt in der Gemeinde. Es stehen noch Beratungen an. Ich nehme dafür an der Sitzung des Bauausschusses teil. Ansonsten wird sich das nach und nach ergeben, wenn der Beirat existiert. Wir sind zuversichtlich, dass die Mitglieder Vorschläge einbringen. 

Viele Kommunen haben Schwierigkeiten, neue Aktive und vor allem auch jüngere Menschen zu gewinnen, die sich politisch engagieren. Sehen Sie das auch so? 

Nicole Lemkens: Hier in Brüggen sind das – soviel ich weiß – nur Frau Hanisch und ich. Ich glaube, dass viele Menschen auch Angst haben, sich politisch zu engagieren. Sie sind möglicherweise der Ansicht, dass sie sich aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht politisch engagieren können. 

Andrea Hanisch: Ja, das denke ich auch. 

Was könnte helfen, um mehr Menschen zu gewinnen? Um die Angst zu nehmen?

Nicole Lemkens: Vielleicht hilft da schon der Behindertenbeirat. Im Beirat werden ja überwiegend Menschen mit Handicap sein. Wenn andere vielleicht sehen, die können etwas erreichen, die sind aktiv, vielleicht motiviert das andere auch.

Andrea Hanisch: Ja genau, ich hoffe auch, dass der Behindertenbeirat in diese Richtung etwas bewirken kann. 

Vielen Dank für das Interview!