Frau Schmitz ist 28 Jahre alt und benötigt aufgrund ihres Autismus-Spektrums Assistenz in ihrer Freizeit und bei der Gestaltung sozialer Kontakte. Sie beantragt die Assistenz beim überörtlichen Träger der Eingliederungshilfe in Form des Persönlichen Budgets.
Im Rahmen des Verfahrens ermittelt der Träger der Eingliederungshilfe den Teilhabebedarf von Frau Schmitz. Für die Freizeit stellt er einen Assistenzbedarf von 12 Stunden pro Woche und für die Gestaltung sozialer Kontakte einen Assistenzbedarf von 3 Stunden pro Woche fest. Für die Deckung des von ihm ermittelten Bedarfs hält er einen Stundensatz von 17,90 Euro für eine einfache Assistenz für angemessen. Insgesamt stellt der Träger der Eingliederungshilfe für 15 Stunden Assistenz wöchentlich ein Budget in Höhe von 268,50 Euro pro Woche fest. Er fügt die von ihm ermittelte Stundenzahl und die Budgethöhe in die von beiden Parteien im Rahmen des Persönlichen Budgets abzuschließende Zielvereinbarung ein.
Frau Schmitz ist weder mit dem festgestellten Bedarf von 15 Stunden noch mit der nach Ansicht des Trägers der Eingliederungshilfe daraus resultierenden Budgethöhe von 268,50 Euro pro Woche einverstanden. Ihr Bedarf liegt ihrer Ansicht nach bei 20 Stunden Freizeitassistenz pro Woche und 7 Stunden Assistenz bei der Gestaltung sozialer Kontakte. Für die Freizeit benötigt sie einfache Assistenz und ist daher mit dem angebotenen Stundensatz von 17,90 Euro einverstanden. Die Gestaltung sozialer Kontakte erfordert ihrer Ansicht nach jedoch eine qualifizierte Assistenz mit einem Stundensatz von 70 Euro. Sie fordert daher ein Budget in Höhe von insgesamt 848 Euro pro Woche. Der Träger der Eingliederungshilfe ist auch nach einem persönlichen Gespräch nicht bereit einen höheren Bedarf und einen anderen Stundensatz anzuerkennen und fordert Frau Schmitz auf die Zielvereinbarung zu unterschreiben.
Frau Schmitz fragt sich, ob sie die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Zielvereinbarung unterschreiben soll. Sie befürchtet, dass die Zielvereinbarung mit ihrer Unterschrift für sie inhaltlich bindend und ein erfolgreicher Widerspruch gegen den nachfolgenden Bescheid des Leistungsträgers hinsichtlich des Umfangs und der Höhe der Leistung nicht mehr möglich wäre. Der Träger der Eingliederungshilfe erklärt, dass er den Bescheid erst erlassen werde, wenn Frau Schmitz die Zielvereinbarung unterschrieben habe.
Das Bundessozialgerichtes (BSG) hat in seinem Urteil vom 28.01.2021 (Az. B 8 SO 9/19 R) entschieden, dass die Zielvereinbarung im Rahmen des Persönlichen Budgets die Beteiligten nicht im Hinblick auf den individuellen Leistungsbedarf (Umfang und daraus resultierende Höhe der Leistung) bindet. Selbst bei Annahme, es handele sich bei der Zielvereinbarung um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, so könne der individuelle Leistungsbedarf als Rechtsanspruch der leistungsberechtigten
Person, der nicht im Ermessen der Behörde stehe, nicht verbindlich in einem solchen Vertrag geregelt werden (vgl. § 55 Abs. 3 SGB X). Bei der Festsetzung der Höhe der Leistung handele es sich darüber hinaus nicht um eine Nebenbestimmung, die vom Leistungsträger verbindlich in den Bewilligungsbescheid miteinbezogen werden könne.
Offen lässt das BSG die Frage, ob die Zielvereinbarung Bindungswirkung hinsichtlich ihrer weiteren Mindestinhalte (insbesondere zur Qualitätssicherung und zur Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs) entfaltet. Diese Regelungen stehen im Ermessen des Leistungsträgers und könnten daher verbindlich in einer Zielvereinbarung geregelt werden, wenn man diese als öffentlich-rechtlichen Vertrag einstuft (strittig).
Verfasserin dieses Textes:
Martina Steinke, Referentin für juristische Fragen beim KSL Münster,
Tel. 0251 98291642, martina.steinke@ksl-muenster.de